Ich denke gerade viel über Verletzlichkeit nach. Und darüber, wie wir sie doch alle zu vermeiden versuchen. So reagieren wir oft mit Abwehr auf das Leben und nehmen uns, oft unbewusst, damit unsere Empfindungsfähigkeit.

Wenn wir wirklich das geben wollen, was uns ausmacht, kommen wir nicht darum, Verletzlichkeit zuzulassen und auch zu zeigen. Das merke ich gerade selbst sehr intensiv beim Schreiben. Mit dem literarischen Schreiben mache ich mich viel verletzlicher als mit dem Schreiben von Sachtexten. Obwohl ich in meinen Geschichten eher weniger über mich schreibe als in meinen Sachtexten (denn all meine Figuren haben ein Eigenleben, bei dem ich nur bedingt mitreden darf), zeige ich mit ihnen viel mehr von mir, wage viel mehr, brauche mehr Mut und habe viel mehr Angst, mich mit ihnen zu zeigen – sprich: mit ihnen bin ich viel verletzlicher. Wenn ich nicht dazu bereit bin, kann ich sie nicht schreiben, die Geschichten, die ich schreiben will.

Verletzlichkeit zu wagen, ist keine Grundsatzentscheidung, die wir einmal treffen und dann ist das so. Ich empfinde es viel mehr als ein stetiges Ringen mit mir selbst um den Mut, verletzlich zu sein. Immer wieder neu kann ich mich für das Fühlen entscheiden, dafür mich berühren zu lassen. Manchmal wähle ich das Nichtfühlen und zahle dafür einen hohen Preis – ohne Berührung keine Empfindung und ohne Empfinden kein Erleben.

Ich für mich verstehe: Lebendigkeit ist nur möglich, wenn ich zu fühlen wage, wenn ich also bereit bin, mich mit meiner Verletzlichkeit anzunehmen und mich für das Leben zu öffnen mit allem, was ich habe und bin. Nur wenn ich zulasse, verletzlich zu sein, kann ich sein, wer ich bin, und nur dann kann ich geben, was ich zu geben habe. Nur dann kann ich schreiben und mich ausdrücken – und, ja, nur dann kann ich wirklich leben.

Verletzlichkeit – Tania Konnerth